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Lili Frankestein

Zeremonie bei der Stolpersteinverlegung am 15. Juni 2009 vor dem Haus Triebelsstraße 9

Lili Frankenstein wurde am 9. November 1889 als älteste Tochter des Aachener Kaufmanns Julius Frankenstein und seiner Frau Hedwig Frankenstein in Aachen geboren. Zusammen mit ihren beiden Schwestern wuchs sie im Haus der Eltern in der damaligen Marktstraße (heute Triebelsstraße) 2 im Frankenberger Viertel auf.

Sie besuchte 8 Jahre lang die Viktoriaschule in Aachen, bevor sie auf eine Schule in Köln wechselte, wo sie Ostern 1909 ihr Abitur machte. Anschließend studierte sie an den Universitäten Göttingen, Bonn und Greifswald die Fächer klassische Philologie, Archäologie, Deutsch und Philosophie und legte Anfang 1916 das erste Staatsexamen für das höhere Lehramt ab.

Noch vor ihrem Examen übernahm sie eine „Kriegsvertretung“ an der Viktoriaschule in Aachen, in deren Rahmen sie dort von September 1914 bis März 1915 unterrichtete.

Nach dem Staatsexamen unterrichtete Lili Frankenstein vier Jahre an einer Berliner Schule, unterbrach dann aber ihre Schultätigkeit, um sich ganz auf ihre Doktorarbeit im Fach Kunstgeschichte zu konzentrieren. Es scheint, dass sie in dieser Zeit wieder bei ihren Eltern in Aachen lebte.

Ihre Promotion fand 1921 in Greifswald statt, an derselben Universität übrigens, an der ein Jahr vorher bereits ihre Schwester Luise einen juristischen Doktortitel erworben hatte.

Danach arbeitete Lili Frankenstein vorübergehend in verschiedenen Museen, wissenschaftlichen Instituten und Schulen, bevor sie eine feste Anstellung als Studienrätin an der damaligen Auguste-Viktoria-Schule (heute Goethe-Gymnasium) in Düsseldorf fand.

Allerdings wurde ihre berufliche Karriere schon wenige Jahre später jäh beendet. In der Schulchronik des Jahres 1933 heißt es: „Drei Kollegen, darunter die einzige jüdische Lehrerin, Dr. Lili Frankenstein, werden entlassen. Der Lehrplan wird der NS-Ideologie angepasst.“

In ihrem Entlassungsschreiben wurde ihr mitgeteilt, ein Ruhegehalt könne ihr nicht bewilligt werden, da sie erst am 1. April 1930 als planmäßige Beamtin angestellt worden sei. Sie gab ihre Wohnung in Düsseldorf auf und zog wieder in ihr Elternhaus in Aachen zurück. Ab 1935 ist sie in den Aachener Adressbüchern unter der Adresse Marktstraße 2 als „Studienrätin i.R.“ eingetragen.

Da ihre Schwester Ida noch immer dort wohnte und ihre Schwester Luise nach elf Jahren als stellvertretende Leiterin der Düsseldorfer Frauenakademie 1933 ebenfalls entlassen worden und zu den Eltern zurückgekehrt war, lebte sie jetzt wieder mit ihrer ganzen Familie zusammen.

Im Februar 1934 setzte sie ein Inserat in das Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Aachen, in dem sie „Nachhilfe und Vorbereitung für Schüler aller Klassen in alten und neuen Sprachen und kulturkundlichen Fächern“ anbot. Ein halbes Jahr später, als viele Mitglieder der Gemeinde über eine Auswanderung nachdachten, begann sie Sprachkurse für Erwachsene und Jugendliche in Englisch und Französisch durchzuführen. Wiederholte Ankündigungen dieser Kurse tauchen ab Juni 1934 immer wieder im Gemeindeblatt auf.

Dabei gehörten die Sprachen Englisch und Französisch noch nicht einmal zu ihren offiziellen Schulfächern, das waren Griechisch, Latein, Deutsch, Philosophie, Archäologie und Kunstgeschichte. Dass sie auch diese Kenntnisse in der Gemeinde einsetzte, zeigt etwa der folgende Bericht im Gemeindeblatt vom Dezember 1934 über eine Veranstaltung des Frauenvereins der Aachener jüdischen Gemeinde:

Bei einem gut besuchten Teenachmittag sprach Frl. Dr. phil. Lili Frankenstein über das Thema „Adam und Eva in der bildenden Kunst.“ Die Rednerin ging in der Einleitung von den verschiedenen Vorstellungen der Entstehung des Menschengeschlechts in der Antike aus, um dann den biblischen Schöpfungsmythus im besonderen zu kennzeichnen. Unterstützt von einem reichen Lichtbildmaterial wußte sie die von den Künstlern aufgenommene Problematik aufzuzeigen. Miniaturen, Holzschnitte, Malerei, Plastik u. a. m. gaben der Referentin Gelegenheit gleichzeitig mit der Erklärung der Bilder die Entwicklung innerhalb der Kunstrichtungen selbst dem Verständnis nahezubringen. Die interessanten Ausführungen, die auf diese Weise Kunstgeschichte vermittelten von Antike, Gotik, Renaissance und neuzeitlicher Gestaltungsart, wurden mit großem Beifall von der Hörerschaft aufgenommen.

Lili Frankensteins Vater Julius Frankenstein starb 1938 und ihre beiden Schwestern emigrierten 1939 ins Ausland. 1941 starb auch die Mutter Hedwig Frankenstein. Das Haus der Familie war schon vorher zwangsweise „arisiert“, also in das Eigentum eines nicht-jüdischen Besitzers überführt worden. Am 19. September 1941 musste Lili Frankenstein das Haus verlassen und in das damals hoffnungslos überbelegte „Israelitische Altenheim“ in Kalverbenden 87 umziehen.

Am 22. März 1942 wurde sie zusammen mit anderen Insassen des Altenheims von Aachen aus in das Durchgangslager Izbica bei Lublin in Polen deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Vermutlich wurde sie in einem der Vernichtungslager im Distrikt Lublin ermordet.

Lili Frankenstein war damals 52 Jahre alt.

Ihre beiden Schwestern überlebten den Holocaust, die eine in Schweden, die andere in Großbritannien und den USA.